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Die Geldschule

Interview mit Stefan Serret

Der Wiesbadener Stefan Serret gründete 2017 die GeldSchule. Damit möchte er Interessierten Hilfe zur Selbsthilfe ermöglichen und ihnen einen besseren Zugang zu Themen wie Vermögensaufbau, Prävention von Armut und allgemein eine bessere Finanzbildung ermöglichen. Im Interview mit der Wohlstandsgenossenschaft erklärt er, was ihn zur Gründung der GeldSchule veranlasste und welche Erfahrungen er seitdem macht.

Warum eine "Geldschule"?

Wohlstandsgenossenschaft: Herr Serret, aus welchem Grund haben Sie die GeldSchule gegründet? Gab es einen bestimmten Bedarf oder eine persönliche Motivation, die Sie dazu veranlasst hat?

Stefan Serret: Die Motivation für die Gründung der GeldSchule war die Erfahrung der sehr spärlich vorhandenen Finanzbildung im deutschen Schulsystem. Meine beiden Kinder haben sehr wenig Finanzbildung in der Schule erhalten. Praktische Tipps und Wissen im Umgang mit Geld am Beginn ihrer beruflichen Laufbahn wurden nicht vermittelt. Der Lehrplan der Schulen gab das nicht her. Somit starten viele junge Erwachsene finanziell schlecht ausgebildet in eine Lebensphase, in der wichtige finanzielle Grundlagenentscheidungen zu treffen sind. Dies verbunden mit der Tatsache, dass das Banksystem in Deutschland immer noch zu produktorientiert und zu wenig kundenorientiert ist, haben mich dazu motiviert die GeldSchule 2017 zu gründen.

Karriere in der Finanzbranche

Wohlstandsgenossenschaft: Welche beruflichen und persönlichen Erfahrungen haben Sie dazu befähigt, die GeldSchule erfolgreich zu leiten und Menschen im Umgang mit Finanzen zu coachen?

Stefan Serret: Vor vielen Jahren war ich in der Ausbildung von Auszubildenden einer Regionalbank für das Wertpapiergeschäft tätig. Im Rahmen dieser Tätigkeit bildete ich mich zum Ausbilder weiter. Dies machte mir sehr viel Freude und ich erhielt viele positive Feedbacks. Dazu kommt die jahrelange direkte Beratung von Kunden und die Betreuung von Kunden der Vermögensverwaltung. Zusätzlich war ich im späteren Verlauf meiner Karriere in der Finanzbranche bei einer internationalen Bank in einer bundesweiten Führungsrolle zuständig für die Qualifikation der Berater im gehobenen Wertpapiergeschäft. Zudem bin ich bei der vom Finanzministerium unterstützten Initiative zu Thema „Finanzen“ ehrenamtlich in Schulen tätig.

Finanzziele sind individuell

Wohlstandsgenossenschaft: Was sind die häufigsten Gründe, warum Menschen zu Ihnen kommen? Welche Herausforderungen oder Sorgen bringen sie mit?

Stefan Serret: Häufig kommen Menschen zu mir, um einen Überblick über ihre aktuelle finanzielle Situation zu gewinnen: Girokonto, Sparbuch, Lebensversicherung, Rentenversicherungen, Fonds etc. sind Finanzprodukte, die oft über die Jahre mehr oder minder „zufällig“ eingesammelt wurden, da diese von einer Bank empfohlen wurden oder weil es so „üblich“ ist. Nach einer Bestandsaufnahme ist die Herausforderung, dass der Kunde seine eigenen Lebens- und Finanzziele erarbeitet und anschließend gilt es einen Plan zu erarbeiten, wie diese erreicht werden können. Für einen solchen Vermögensaufbau gibt es eine passende Systematik und Tools, die ich den Kunden vorstelle. Bereits vermögende Kunden plagt oft die Sorge, ob das vorhandene Vermögen ausreicht. Viel weitere Sorgen und Herausforderungen sind so individuell wie die Menschen selbst mit ihren finanziellen Glaubenssätzen und Erfahrungen. Hier stehe ich mit Rat und Tat zur Seite.

"Beraten um zu verkaufen ist überholt"

Wohlstandsgenossenschaft: Welche spezifischen Fähigkeiten und welches Wissen vermitteln Sie in Ihren Kursen? Gibt es Fragen, die besonders oft gestellt werden?

Stefan Serret: Ich berate und verkaufe keine Finanzprodukte und habe mich bewusst dazu entschieden die notwendigen rechtlichen Schritte nicht zu gehen. Beraten, um zu verkaufen habe ich lange genug gemacht und ist meiner Meinung nach überholt. Wichtiger ist es, Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten und meine Kunden zu mündigen, finanziell gebildeten, Menschen zu entwickeln, bis sie mich nicht mehr brauchen. In der Finanzindustrie steht das Produkt, das verkauft werden soll an erster Stelle. Hierzu erhalten die Finanzproduktverkäufer Empfehlungslisten. Über die beim Verkauf erzielten Provisionen finanziert sich die Beratung. Wir müssen das aber anders angehen: Der Kunde muss sich als sein eigener Finanzchef verstehen, der Ziele und Pläne hat, die es zu erreichen gilt. Am Ende des Prozesses stehen Produkte, die der Kunde versteht und kostengünstig erwerben kann. Viele Fragen ergeben sich dann bei der Definition der Ziele. Hierbei kann ein FinanzCoach gegen einen festgelegten Stundensatz helfen.

Die größten Herausforderungen beim Vermögensaufbau

Wohlstandsgenossenschaft: Was sind die größten Herausforderungen für Ihre Kursteilnehmer beim Thema Vermögensaufbau? Warum fällt es vielen schwer, regelmäßig Geld zur Seite zu legen?

Stefan Serret: Die größte Herausforderung ist die Rolle des passiven Konsumenten von Finanzprodukten aufzugeben und selbst zu Finanzchef zu werden. Schwer ist das Sparen aufgrund fehlender Gewohnheit, fehlendem Wissen und fehlender Disziplin.

Praktische Tipps

Wohlstandsgenossenschaft: Welche praktischen Tipps geben Sie Menschen, die langfristig ein Vermögen aufbauen möchten? Gibt es bestimmte Strategien, die besonders effektiv sind?

Stefan Serret: Es gibt viele einfache und selbst anzuwendende Strategien zum Vermögensaufbau. Ein Beispiel ist das sogenannte „Kontenmodell“: Für jedes definierte Finanzziel eröffnet der Kunde ein Unterkonto seines Girokontos und bespart es per Dauerauftrag, der direkt nach dem Eingang des Gehalts ausgeführt wird. Nach dem Motto „Aus dem Blick, aus dem Sinn“ ist das Geld „weg“ und man wird nicht in Versuchung geleitet es zu konsumieren.

Gender Pay Gap

Wohlstandsgenossenschaft: Der Gender Pay Gap führt dazu, dass viele Frauen im Alter von Altersarmut bedroht sind. Was können Frauen Ihrer Meinung nach tun, um sich besser für das Alter abzusichern?

Stefan Serret: In vielen Gesprächen sind Frauen zurückhaltender als Männer bei dem Thema Leistung, Gehaltssteigerung, Zielvereinbarungen etc. Das habe ich auch in meiner Zeit als Vorgesetzter oft erlebt. Dabei arbeiten Frauen oft effizienter und effektiver als Männer. Ich rate hier zu Selbstvertrauen und einem gezielten Fragen nach Entwicklungsmöglichkeiten, die meist mit einem höheren Gehalt belohnt werden. Männlichen Vorgesetzten rate ich, Frauen nicht zu unterschätzen.

Was soll auf politischer Ebene geschehen?

Wohlstandsgenossenschaft: Neben individuellen Anstrengungen – was müsste auf politischer Ebene in Deutschland geschehen, um die Armut zu reduzieren und mehr Menschen zu finanzieller Sicherheit zu verhelfen?

Stefan Serret: Der Mindestlohn müsste weiter kontinuierlich steigen. Die Provisionierung von Finanzprodukten sollte abgeschafft werden, wie das auch schon fast geschehen wäre! Die umlagebasierte gesetzliche Rentenversicherung müsste durch eine kapitalbasierte Regelung zunächst ergänzt und anschließend ersetzt werden. Der Arbeitsmarkt für ältere Arbeitnehmer vor oder bereits während der Rentenphase sollte flexibilisiert werden. Das sind nur wenige Beispiele.

Individuelles Finanzcoaching

Wohlstandsgenossenschaft: Welche aktuellen Kurse bieten Sie derzeit in der GeldSchule an, und wie sehen Ihre Pläne für die Zukunft aus? Gibt es neue Projekte oder Entwicklungen, die Sie anstreben?

Stefan Serret: Mit der Coronazeit und dem zunehmenden Angebot von Finanzbildung im Internet sind Kurse in Präsenz stark zurückgegangen. Das individuelle FinanzCoaching hat deutlich zugenommen. Diesen Weg möchte ich weiter gehen im Rahmen von persönlichen Treffen oder unter Nutzung der webbasierten Videocalls. Dies gilt nicht nur für private Kunden, sondern auch für Gruppen oder Events bei Unternehmen.

Shownotes

Journalistin Ilgin Seren Evisen

Ilgin Seren Evisen
Das Interview führte Ilgin Seren Evisen. Journalistin und freie Autorin für verschiedene Zeitungen wie den Mannheimer Morgen, die WirtschaftsNews Rheinhessen, Business Insider, Cicero und weitere.